Die Aufgaben als Betriebsratsvorsitzende sind umfangreich und am Anfang vor allem unübersichtlich. Was musst Du alles zuerst erledigen, wenn Du den Vorsitz neu übernommen hast? Im nachfolgenden Text gebe ich Dir eine Übersicht für die ersten Tage im Amt.
Egal, ob Du nach der konstituierenden Sitzung oder mitten in der Amtszeit den Vorsitz übernommen hast, ab diesem Zeitpunkt bist Du Ansprechpartner Nummer eins. Für alle. Kollegen, Gremiumsmitglieder, Geschäftsleitung und HR. Das erzeugt erstmal enormen Stress, denn jeder will was von Dir. Und zwar zeitgleich.
In den ersten Tagen und Wochen nach der Amtsübernahme ist der Druck hoch. Doch damit Du Dich nicht selbst noch mehr unter Druck setzt, lautet mein erster Rat: Entspanne Dich!
Kein Mensch erwartet von Dir, dass Du von Anfang an alles sofort kannst. Das ist auch gar nicht möglich. Wie in jedem anderen Job musst Du Dich einarbeiten und Dir Wissen aneignen. Das dauert. Daher nimm das Tempo raus und verschiebe das Perfekt sein auf später. 🙂
Praxis vs. Theorie
In der Theorie sind die Aufgaben eines Betriebsratsvorsitzenden die Geschäftsführung des Betriebsrates, die Vertretung des BR nach außen und Entgegennahme von Erklärungen. Was alles dazu gehört, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen und wäre auch nicht zielführend.
Denn es geht ja um Deine ersten Amtshandlungen. Genauer gesagt, was Du unmittelbar nach Deiner Wahl zum Vorsitzenden tun musst, um Deine Aufgaben als Betriebsratsvorsitzende wahrzunehmen.
Das Wichtigste, was Du Dir merken musst: Keine Alleingänge! Sämtliche Handlungen nach außen müssen im BR besprochen und oft auch erst beschlossen werden. Handle nie ohne Auftrag Deines Betriebsrates!
1. Information des Arbeitgebers
Ich habe es schon erlebt, dass ein neuer Vorsitzender vergessen hat, den Arbeitgeber von seiner Wahl zu unterrichten. Das sollte definitiv nicht passieren. Denn erst mit der Wahl des Vorsitzenden und des Stellvertreters ist der BR handlungsfähig. Und das muss der Arbeitgeber ja wissen.
Also informierst Du den Arbeitgeber über Deine Wahl zum Vorsitzenden und wer Dein Stellvertreter ist. Falls es einen zweiten Stellvertreter gibt, wird er natürlich auch aufgeführt.
Diese Information sollte schriftlich erfolgen. Das kannst Du per Brief und Hauspost machen oder auch per Mail, wenn das bei Euch für die Kommunikation üblich ist. Auf jeden Fall sollte die Information so schnell wie möglich und offiziell beim Arbeitgeber ankommen.
Überlege Dir im Vorfeld, wen genau Du als Vertreter des Arbeitgebers anschreibst. Die Geschäftsleitung allein, oder auch HR? Oder nur HR, wenn normalerweise die Kommunikation nur mit HR als Eurem Business Partner erfolgt?
Meiner Erfahrung nach ist es am besten, die Geschäftsleitung und den zuständigen HR-ler zu informieren. Dann schaffst Du zeitgleich Klarheit für alle Seiten und sorgst für einen guten Start Eurer Zusammenarbeit.
Tipp: Nimm so schnell wie möglich auch persönlich Kontakt zum Arbeitgeber auf. Das gehört zu einem wertschätzenden Umgang miteinander und ein paar Worte miteinander zu wechseln, schadet nicht.
2. Information der Kollegen
Als nächstes sollte der Betriebsrat natürlich die Kollegen informieren. Das könnt ihr in der in Eurem Betrieb üblichen Form machen. Als Aushang am Schwarzen Brett, auf der Homepage des Betriebsrates (falls es eine gibt) oder auch auf der internen Unternehmensseite, falls das möglich ist. Eine e-Mail an jeden Kollegen Eures Betriebes ist auch eine bewährte Möglichkeit. So nehmt Ihr direkten Kontakt auf und niemand kann diese wichtige Info verpassen.
3. Organisatorische Dinge klären
Wenn Du diese beiden Punkte erledigt hast, kümmere Dich erstmal wieder um Dich. Kläre Fragen wie:
- Gibt es eine Freistellung?
- ab 200 Arbeitnehmern im Betrieb hat der BR einen gesetzlichen Anspruch auf eine Freistellung
- Wurde die Freistellung in der konstituierenden Sitzung schon gewählt?
- Wenn nein, willst Du Dich freistellen lassen? Du würdest dann nur noch BR-Arbeit machen und von Deinem „normalen“ Job freigestellt werden.
- Gibt es ein Betriebsratsbüro?
- Wenn ja, klärst Du, wie das Büro organisiert ist. Wer hat Schlüssel, wie erhälst Du Schlüssel (falls Du noch keine hast), gibt es dort einen Arbeitsplatz für Dich, etc.
- Wenn nein, wollt Ihr ein BR-Büro einrichten?
- Welche Technik benötigst Du?
- Der BR hat Anspruch auf eine Ausstattung, mit der er seine Arbeit erledigen kann. Heutzutage ist das meist ein PC, Drucker, Telefon.
- Sollte ein passender Arbeitsplatz schon ausgestattet sein, kläre, ob Du Zugriff zu Programmen benötigst, mit der der Betriebsrat und HR arbeiten. Mittlerweile sind Betriebsräte auch auf HR-Programme aufgeschaltet, um eine bessere Zusammenarbeit zu schaffen.
- Beantrage die entsprechenden Zugriffe.
- Arbeitszeit planen, falls Du noch nicht freigestellt bist.
- Wenn Du noch nicht freigestellt bist oder dies auch nicht vorhast, solltest Du klären, wie Du die BR-Arbeit und Deinen „normalen“ Job unter einen Hut bekommst.
4. Übergabe mit altem Vorsitzendem
Meistens wird es einen Vorgänger in Deinem Amt geben. Sprich ihn an und bitte ihn um eine Übergabe. In diesem Gespräch könnt Ihr viele der oben genannten Punkte bearbeiten. Außerdem ist es wichtig, dass er Dir aktuelle und offene Fälle übergibt, dass er Dir Hintergrundinfos und Zusammenhänge erklärt, Ansprechpartner nennt und Betriebsvereinbarungen und weitere wichtige Unterlagen des Betriebsrates übergibt.
5. Erste Sitzung planen
Nach der konstituierenden Sitzung solltest Du so schnell wie möglich die erste ordentliche Sitzung planen. Wenn Du mitten in der Amtszeit die Aufgaben des Betriebsratsvorsitzenden übernimmst, habt ihr sicher einen festen Sitzungsrhythmus, den Du erstmal beibehalten kannst.
In beiden Fällen solltest Du jedoch planen, was für Euren BR in der Zusammenarbeit jetzt wichtig ist. Wenn sich das Team verändert, und sei es nur in einer Position, hat das immer Auswirkungen auf die ganze Mannschaft. Also redet darüber, welche Themen anstehen, was Euch wichtig ist, welche Funktionen zu übernehmen sind, welche Termine in nächster Zeit auf Euch zukommen usw.
Hier mal beispielhaft ein paar Themen für die Tagesordnung der ersten Sitzung nach der Wahl zum Vorsitzenden: Wahl der Freistellung, Wahl des Schriftführers, Bildung von Ausschüssen und Arbeitskreisen, Entsendungsbereichswahl für den GBR planen, Geschäftsordnung, Sitzungshäufigkeit, Tag, Ort, Uhrzeit der Sitzungen, Betriebsratsbüro, Öffentlichkeitsarbeit und natürlich Anträge des Arbeitgebers.
Schritt für Schritt voran
Du siehst, Deine Aufgaben als Betriebsratsvorsitzende wirst Du schnell mit Leben erfüllen. Lass Dich nicht hetzen, sondern atme durch und mache Dir einen Plan. Priorisiere und gehe Schritt für Schritt vorwärts.
Du wirst nicht alles richtig machen, Du wirst Dinge vergessen oder nicht wissen und Dir ein paar blaue Nasen holen. Lasse Dich nicht davon entmutigen, sondern lerne daraus. Niemand ist perfekt, schon gar nicht am Anfang.
Viel Erfolg bei Deinen neuen Aufgaben!
Mentoring